Leseprobe aus "O Herr, laß mich (k)ein Kohlkopf sein" (1996)
"Cabbages for the King"
(Fromm-Evangelikaler Gemuesehaendler, der einen ganz bestimmten Kohl verkaufen möchte):
Bringen wir es vor den Herrn. Bringen wir es einfach vor ihn. Herr, wir wissen, dass du schon vor Anbegin der Welt einen Kohlkopf erwaehlt hast, und wir bitten dich jetzt um deine Leitung. Wir wissen, die Welt sieht nur das Aeussere dieser Kohlkoepfe, aber du, Herr, siehst das Innere an. Du siehst das Herz. Wir beten, dass der Kohlkopf unserer Schwester ein Herz fuer dich haben moege, Herr.
Wir beanspruchen diesen Kohlkopf! Wir versiegeln diesen Kopfkopf! Ergreife Besitz von deinem Gruenzeug, o Herr! Herr, wir bitten, dass auch wir, wie diese Fruechte deiner Fuelle, uns voll Freudigkeit fuer dich schneiden, kochen, trocknen und verzehren lassen, Herr. Segne deinen auserwaehlten Kohlkopf an unserer Schwester, Herr, und unsere Schwester an ihrem rechtmaessigen Kohlkopf - ob er nun ein Begleiter des Wuerstchens sein wird, Herr, oder, Herr, ein Naechster des Fischstaebchens. Oder gar, Herr, eine Beilage zum Kalbskotelett: Sie und wir sind nur Krautsalat in deinen Haenden, und wir bitten einfach jetzt, dass wir eine Entscheidung nach deinem Willen treffen moegen.
Herr, wir wissen, vor dir gibt es keinen methodistischen Kohlkopf, keinen pfingsterischen Rosenkohl und keine renitente Ruebe, keine quaekerische Moehre, keine unierte Aubergine und keine Heilsarmee-Pastinake, keinen baptistischen Lauch und keine anglikanische Kartoffel. Herr, wir sind alle nur Gemuese in deinen Augen. Und nun beten wir um Leitung fuer unsere Schwester.
Und wir sagen zu den Raupen des Zweifels und zu den Schnecken der Ungewissheit - "Geht!" sagen wir. "Auf der Stelle! Wir gebieten euch, und wir bringen euch zum Schweigen, und wir treiben euch aus aus der Mitte dieser Kohlkoepfe - jetzt!"
Und nun, Herr, bitten wir, dass der vorbestimmte Kohlkopf deiner Dienerin sich erheben moege! (Ein Kohlkopf spring in die Hoehe und wird von dem Ladenbesitzer aufgefangen, der in laessig in eine Tuete befoerdert und der Kundin reicht) Das waeren fuenfundsiebzig Pfennige, bitte.
Alle Textrechte liegen beim Brendow Verlag. Abbildung hier mit freundlicher Genehmigung.