Leseprobe aus "Ein Lächeln auf dem Gesicht Gottes. Das ungewöhnliche Leben des Philip Ilott" (2001)
"A Smile on the face of God"
Die Leseprobe schildert die erste Zeit der Ehe von Philip und seiner Frau Margaret.
Philip und Margaret liebten sich sehr. Dennoch ging die erste Zeit ihrer Ehe nicht ohne Probleme ab, besonders für Philip. Er fand es sehr schwer, seine Erwartungen von Margaret als Ehefrau von seiner Neigung, mütterliche Verhaltensweisen von ihr zu erwarten, zu lösen, ein Problem, das auch Jahre später noch nicht richtig gelöst werden sollte. Ihr Eheleben wurde dadurch in mehrfacher Hinsicht in Mitleidenschaft gezogen.
Ganz abgesehen von ihrer physischen Beziehung, die bei Philip zwanzig Jahre alte Erinnerungen wachrief und diese in den ungeeignetsten Momenten ins Bewusstsein kommen ließ, gab es solche Dinge wie unnötige Fragen, ob man nach draußen gehen dürfe oder nicht, und Versuche, kleinere Unfälle oder Fehler in einer sehr kindischen Art und Weise zu vertuschen, als ob Margaret so verurteilend und nachtragend gewesen wäre wie seine Mutter.
So verschüttete Philip einmal zu Beginn ihrer Ehe beim Mittagessen etwas Soße über die Tischdecke und verwirrte seine Frau völlig, indem er sich auf eine Art und Weise entschuldigte, als hätte er sie mit dem Feuerhaken halb tot geschlagen. „Aber Schatz", sagte sie nur, „wir waschen die Decke einfach. Das ist doch kein Problem."
Es dauerte eine Weile, bis Philip gelernt hatte, dass der Charakter dieser neuen Frau in seinem Leben gekennzeichnet war durch Anteilnahme und eine liebende Toleranz, die nicht wieder verschwinden würden, nun, da sie ihre beiden Leben in inniger Vertrautheit verbunden hatten. Die Zeit und Beharrlichkeit taten ihr Übriges, ebenso wie der Kontakt zu Margarets Familie, die traditionell patriarchalisch war.
Mr. Puddicombe hieß' Philip in seinem Haus immer so willkommen, als ob er sein eigener Sohn wäre. Die Atmosphäre in diesem Heim war erfüllt von Ordnung und Sicherheit. Philip liebte das und es tat ihm gut. Besonders mochte er die Momente vor den Mahlzeiten, wenn Margarets Vater ein feierliches und zeremonielles Dankgebet sprach. Es passte einfach so gut.
Margarets Probleme waren eher praktischer Natur. Philip verfügte als Hauptmann der Kirchenarmee lediglich über ein wöchentliches Einkommen von fünf Pfund. Davon konnten nur ein Pfund und zehn Schillinge Haushaltsgeld abgezweigt werden. Als Philip eines Tages nach Hause kam, fand er seine hübsche junge Frau in Tränen, weil sie sich schlicht nicht in der Lage sah, mit dieser Summe auszukommen. Sie hatte eine Zeit lang geschwiegen, denn es war ihr bewusst, dass, wenn alle Rechnungen bezahlt waren, es einfach kein Geld mehr gab und Philip durch ihre Traurigkeit sehr bestürzt gewesen wäre. Es stellte sich jedoch heraus, dass es schon eine große Hilfe war, solche Schwierigkeiten anzusprechen, auch wenn eine Lösung nicht in Sicht war. Und außerdem war Pater Goldsmid nicht der Mann, zu dem man ohne weiteres mit Problemen kommen konnte.
Die geistliche Verbindung zwischen Philip und Margaret war in diesen ersten Tagen wahrscheinlich ihre größte Stütze. Sie reservierten jeden Tag eine Zeit zur Stille und zum gemeinsamen Gebet, und an den meisten Abenden machten sie es sich zur Gewohnheit, die Komplet zu sprechen, eine kurze Andacht, die dazu gedacht ist, dem Tag einen geistlichen Schlusspunkt zu setzen.
„O Herr, wir ersuchen dich, komm in unser Heim und vertreibe vor uns die Fallstricke des Feindes ..."
Diese trostreichen Worte waren der ideale Auftakt für die Nachtruhe am Ende eines anstrengenden oder schwierigen Tages.
Schon bald gab es für Margaret einen neuen Grund zur Beunruhigung. Im Frühling nach ihrer Hochzeit entdeckte sie, dass sie schwanger war. Sowohl für Philip als auch für Margaret bedeutete dies eine große Freude - außer in einer Hinsicht: Philip graute davor, die Neuigkeit seiner Mutter mitzuteilen, weil er instinktiv annahm, dass sie dies als eine letzte Bestätigung seiner „Treulosigkeit" ihr gegenüber auffassen würde.
Und er hatte völlig Recht damit. Sie bekam einen heftigen Wutanfall, bei dem sie Philip vorhielt, er sei sexsüchtig und habe nur deshalb geheiratet, um seine unersättlichen Gelüste zu stillen. Diese schmerzhafte Episode führte zu einer weiteren Phase des kommunikativen Stillstandes, die so lange dauerte, bis Margaret hochschwanger war. Philip und Margaret schliefen als verheiratetes Paar nicht ein einziges Mal mehr in dem Haus in Newcastle. Philip hätte es einfach nicht geschafft. Und Margaret war damit natürlich sehr einverstanden, konnte es allerdings noch immer nicht begreifen, warum Philip sich unter diesen Umständen überhaupt bemühte, Frieden zu halten.
Die letzte Phase der Schwangerschaft gestaltete sich sehr schwierig für Margaret. Sie war mit Paul schon recht lange über die Zeit und hatte zum Zeitpunkt seiner Geburt zehn ziemlich einsame und unglückliche Tage im Krankenhaus verbracht, während sich ihre Stiefmutter zu Hause um Philip kümmerte.
Die Ankunft eines echten, lebendigen Babys schien, wie dies meist der Fall ist, die Tristesse und die Monotonie des Wartens vergessen zu machen. Paul war ein wunderschönes, gesundes Kind, und Margaret war zwar erschöpft, aber stolz und glücklich.
Philip sah seinen Sohn nicht erst an dem Tag nach seiner Geburt. Als er ihn dann erblickte, war er außer sich vor Freude und konnte seine Blicke nicht mehr von diesem perfekten Miniaturspiegelbild seiner selbst reißen, das da so sanft mit den Augen zwinkernd im Krankenhausbettchen lag. Seine Freude musste einen Ausdruck finden, und so fuhr er wenig später wie verrückt auf dem Fahrrad durch seinen Pfarrbezirk (er war inzwischen Experte auf den zwei Rädern) und rief aus vollem Hals: „Es ist ein Junge! Es ist ein Junge!" Selbst Peter Goldsmid schaffte es, seine jähzornigen Charakterzüge in etwas zu verdrehen, das einem Lächeln ähnelte, und ein oder zwei Worte des Glückwunsches zu grunzen.
Margarets Rückkehr nach Hause war ein großes Fest. Philip befestigte ein Arrangement aus Blumen und Wimpeln rings um die Front des kleinen Hauses, in dem sie seit ihrer Hochzeit gelebt hatten, und hängte ein großes Schild mit der Aufschrift ,WILLKOMMEN ZU HAUSE" über die Haustür. Es war ein Ereignis wie bei der Königsfamilie.
Alle Textrechte liegen beim Brendow Verlag. Abbildung hier mit freundlicher Genehmigung.