Buchcover Die rastlosen Reisen des frommen Chaoten

Leseprobe aus "Die rastlosen Reisen des frommen Chaoten" (1997)

"The Sacred Diary of Adrian Plass: Christian Speaker Aged 45 3/4 "

Montag, 7. März

Wunderschönes Wochenende. (Soviel darf ich sagen.)
Ich hin absolut entschlossen, diese Sache mit der Kinderandacht bei den Hörnern zu packen und aus der Welt zu schaffen! Wie konnte ich nur so schwach sein. Jedes Mal, wenn ich beschließe, etwas deswegen zu unternehmen, kneife ich. Diesmal nicht! Heute Abend, wenn ich von der Arbeit komme, rufe ich Pfarrer Spool an und sage ihm, dass ich es nicht mache. Was für eine Erleichterung!

23.00 Uhr.
Gekniffen. Rufe morgen an.

Dienstag, 8.

März Gekniffen.

Mittwoch, 9.

März Autsch!

Donnerstag, 10. März

Kriege allmählich blaue Flecken.

Freitag, 11. März

Konnte nicht anders, musste ständig über die blöde Kinderandacht jammern und stöhnen, während wir heute Abend alle im Wohnzimmer vor dein Fernseher saßen. Anne wurde stinksauer. Sagte, ich solle entweder etwas dagegen tun oder kein Wort mehr darüber verlieren.
Ging in die Küche und raffte nach ein paar Minuten den Mut zusammen, Pfarrer Spool anzurufen. Kaum hörte er, wer es war, rief er: "Ah, Adrian, ich kann ihnen gar nicht in Worten ausdrücken, mit welch freudiger Erwartung wir Ihrem Besuch in unserer Gemeinde am Sonntag entgegensehen. Eine ganze Reihe von Leuten, die nicht regelmäßig zum Gottesdienst kommen, macht sich eigens von weit her auf den Weg, um zu diesem Anlass hier zu sein. Sicher würde ich die allgemeine Begeisterung nicht übertrieben darstellen, wenn ich sagen würde, dass es für viele ein Höhepunkt - wenn nicht gar der Höhepunkt - des Jahres hier in St. Dermot's sein wird. Wir sind Ihnen so schrecklich dankbar, dass Sie uns diese Zeit in Ihrem vollen Terminkalender reserviert haben!"
Konnte nicht gut sagen: „Tja, dumm gelaufen, Vladimir, ich komme nämlich nicht“, oder?
Sagte ihm, ich hätte nur angerufen, um ihm zu sagen, wie sehr ich mich darauf freue und wie großartig es von ihm sei, mich einzuladen. Fühlte mich wie jemand in einer Todeszelle, der ein nettes Schwätzchen mit dem Elektriker hält. Ging zurück ins Wohnzimmer.
Gerald warf nur einen Blick in mein Gesicht und sagte dann: „Hol das Ohropax, Mama."

Samstag, 12. März

Gab mir heute Morgen alle Mühe, mich krank zu fühlen. Blieb lange im Bett liegen und horchte in meinen Körper hinein, ob nicht irgendwo ein Problem zu finden wäre. Nichts als ein leichtes Jucken am linken Ellbogen. Ging ins Badezimmer und machte undeutliche Würgegeräusche, in der Hoffnung, Anne würde es hören und mir sagen, ich solle wieder ins Bett gehen.
Ach, dieser süße, süße Wunschtraum, ihre Stimme zu hören, wie sie den Pfarrer anruft und sich in meinem Namen dafür entschuldigt, dass ich zu krank bin, um die Kinderandacht zu halten.
Taumelte die Treppe hinab, lehnte mich unterwegs an Wände und Türpfosten und versuchte, bleich und abgespannt auszusehen. Glaubte inzwischen fast selbst an meine Krankheit. Endlich erreichte ich die Küche und vollführte zum Abschluss ein, wie ich fand, recht gelungenes Stolpern von der Tür zu einem Stuhl am Tisch, wo Anne und Gerald gerade ihr Frühstück genossen.
Sagte mit hohler, würgender Stimme: "Anne, ich fühle mich nicht besonders wohl." Sie sah nicht einmal auf. "Na, dann bleib zu Hause und halt dich warm", sagte sie, "du weißt ja, du musst morgen diese Kinderandacht halten." Wie konnte sie nur so herzlos sein?
„Anne“, sagte ich, „ich glaube, du hast mich nicht verstanden. Ich dachte eben da oben schon, ich müsste mich übergeben."
Gerald blätterte die Zeitung um und sagte: „Aber dann hast du es dir anders überlegt, was?“
„Willst du damit sagen, ich hätte es aufgesetzt?“ erwiderte ich.
„Keine Ahnung, aber jedenfalls hast du es nicht ausgespuckt. Mal ehrlich, Paps, Lampenfieber bringt dich auch nicht weiter. Um von uns Mitleid zu schinden, musst du dich schon regelrecht von wilden Hunden zerreißen lassen und kurz vor dem Exitus stehen. Und selbst dann wird nur einer von uns die Hunde bitten, mal eben Pause zu machen, während wir dir das Telefon bringen, damit du mit deinem letzten Atemzug dem Pfarrer sagen kannst, dass du nicht kommst.“
Ging eine Runde Golf spielen. Meine Familie steht nicht gerade in Gefahr, sich in Sachen Mitgefühl zu überanstrengen.

Sonntag, 13. März

Wachte um halb sieben auf, und der Gedanke an diese verflixte Kinderandacht legte sich sofort auf meine Stimmung wie ein schweres Bleigewicht Wie hatte ich nur so unglaublich dumm sein können? Machte einen letzten hektischen Versuch, Anne zu überreden, anzurufen und zu sagen, ich wäre krank und sie würde statt meiner kommen, aber sie hängte sich völlig an Belanglosigkeiten wie „Wahrheit“ und "Versprechungen einhalten" und „aus Fehlern lernen“ auf.
Gerald sagte, er wolle mitkommen, um mich moralisch zu unterstützen. Nahm sein Angebot an, weil mir die Gesellschaft lieb war. Wurde jedoch leicht nervös, als er, gerade als wir aufbrachen, ausrief: "Die Märchentante und ich gehen jetzt, Mama!" Merkte, dass ich im Begriff stand, ihm genügend Munition für lange Zeit zu verschaffen.
Als wir um Viertel nach neun durch den Eingang von St. Dermot's schritten, sagte Gerald: "Ich wette mit dir um eine Flasche Rotwein, dass du in den nächsten fünf Minuten mindestens dreimal lügen wirst, Paps."
Ich sagte: "Rede keinen Unsinn, Gerald."
Pfarrer Spool, der nach Geralds Schätzung der pfarrerischste Pfarrer ist, der jemals pfarrte, eilte auf uns zu, als er uns hereinkommen sah, schloss' beide Hände voll Inbrunst um meine Rechte und sagte: „Ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie dankbar wir alle Ihnen sind, dass' Sie sich bereit erklärt haben zu kommen, Adrian. Ich schätze, das Letzte, was Sie brauchen konnten, war noch ein zusätzlicher Termin.“
"Nein, nein", erwiderte ich, "es ist mir eine Freude, hier zu sein, wirklich." Direkt hinter meinem linken Ohr flüsterte Gerald: "Eins."
„Aber natürlich“, fuhr Spool fort, „ist es diesmal etwas anders, nicht wahr? Heute werden Sie zu unseren Kleinen sprechen". Er zwinkerte mir vielsagend zu. „Das dürfte auch für Sie etwas Neues sein“, vermute ich.
„Ja“, sagte ich, „aber ich habe mich ungemein darauf gefreut, wirklich.“ „Zweieinhalb“, murmelte Gerald hinter meinem rechten Ohr.
„Übrigens, Sie werden uns Ihr übliches Honorar für einen solchen Vortrag wissen lassen, nicht wahr?“ spulte Spool weiter. „Wir werden Mr. Frobisher, unseren Kassierer, darauf ansprechen müssen. Natürlich bestehen wir darauf, genau das zu bezahlen, was Sie sonst auch nehmen“.
Er meinte es wirklich ernst. Plötzlich wollte ich genauso großzügig wirken, wie er es war.
„Ich glaube, wir werden uns diesmal nicht damit aufhalten“, sagte ich in der Hoffnung, er würde spüren, was für ein großes Opfer ich damit brachte, „um ehrlich zu sein, Geld stand noch nie sehr hoch auf meiner Prioritätenliste“. „Sechzehn dreiviertel“, zischte Geralds entrüstete Stimme in Stereo direkt hinter meinem Kopf.
Pfarrer Spool strahlte vor Dankbarkeit über meine großartige Geste und sagte schelmisch und etwas verwirrend: „Ja, ja, nein, nein, nun, nun, wir werden sehen. Übrigens, wir haben vor, den Gottesdienst wie üblich für die Kranken auf Band aufzuzeichnen. Sie haben doch keine Einwände dagegen?“
Unsicher: „Keine Probleme mit dem, äh ... Copyright?“
„Nein, natürlich nicht“, sagte ich.
Dachte: Na, vielen Dank, Gott! Sie werden meine Demütigung auch noch sorgfältig aufzeichnen und im ganzen Universum herumreichen.
Starb fast vor Nervosität, als ich in einer der ersten Reihen neben Gerald saß und auf den Beginn des Gottesdienstes wartete. Alle kleinen Kinder waren von Mitarbeiterinnen auf den ersten fünf oder sechs Reihen auf der anderen Seite gepfercht worden, und schon jetzt wiesen ein paar von ihnen einander auf mich, den Fremden, hin, und brachen dabei in kurze Kichersalven aus, als ob an meinem Aussehen irgend etwas unsagbar Komisches wäre. Diese kleinen Monster würden niemals aufmerksam zuhören, was immer ich auch zu ihnen sagen würde, um Himmels willen!
Fragte mich wieder - wie hatte ich nur so dumm sein können?
Zum Glück verschafften mir Pfarrer Spools Bekanntmachungen zu Beginn des Gottesdienstes eine kleine Ablenkung.
Später meinte Gerald, sie seien noch pfarrerischer in ihrer Pfarrerischkeit gewesen, als er es bisher selbst bei den pfarrerischsten Pfarrern beobachtet habe. Offensichtlich fand er diese seine Bemerkung äußerst witzig, doch als ich mit der Bemerkung parierte, dieses Verpfarren sei meiner Erpfarrung nach in der anglikanischen Kirche so üblich, man wolle sich eben keine Pfarrlässigkeit zuschulden kommen lassen, starrte er mich ganz verdutzt an, als hätte ich etwas vollkommen Sinnloses gesagt.

Alle Textrechte liegen beim Brendow Verlag. Abbildung hier mit freundlicher Genehmigung.




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