Leseprobe aus "Ein Außerirdischer im Kirchenschiff" (1993)
"An Alien at St Wilfred's"
Dave lehnte sich zurück und reckte beide Arme in die Luft empor, als
er, ohne Dots ärgerlichen und frustrierten Seufzer zu bemerken, aus
dem Stegreif vortrug:
„Jeder soll zu Jesus kommen und gerettet werden,
auch die Leute, die gar furchtbar Böses tun auf Erden.
Neunzehndreiundachtzig nahm ich Jesus in mein Leben auf,
Dicht gefolgt von meiner Frau nur zwanzig Tage drauf.
Solches Zeug ist es, wovon ich rede. Normalerweise sind es ungefähr
hundert Zeilen, und die Metrik und die Reime werden immer
schlechter, je weiter die Sache voranschreitet. Das Schlimme ist,
wisst ihr, dar irgendwann die Reime anfangen, den Inhalt zu dik-
tieren -"
„Ich frage mich, ob Richard uns nicht jetzt von den Versen er-
zählen könnte, die er -"
Aber der Pfarrer war nicht zu stoppen.
„Sagen wir zum Beispiel, ich schreibe eine Zeile wie Gott spricht
freundlich, Gott spricht streng'. Ich schaue sie mir für eine Weile an,
sage mir, was für eine tolle Sache ich da geschrieben habe, und mache
mich dann auf die Suche nach einem passenden Reim. Eng, peng,
bäng, Satin, häng, stäng, fäng - nichts scheint zu passen. Dann
schließlich fällt mir etwas ein, das funktionieren könnte, und
heraus kommt ein Verspaar wie dieses:
Gott spricht freundlich, Gott spricht streng,
Gott spricht laut zu mein'm Cousin.
Dann trage ich das irgendwo mit volltönender Stimme vor, und nach
längerem, niedergeschlagenem Schweigen sagt einer der un-
glücklichen Rezipienten meines lyrischen Genies: Warum ausgerechnet
zu deinem Cousin?` Wenn ich ehrlich wäre, würde ich zugeben, dar
es das einzige Wort war, das sich darauf reimte, aber wenn ich auf
Mystiker geschaltet habe, verdrehe ich meine Augen, richte den Blick
starr in die Ferne und sage: Nun ja, ich hatte einfach den Eindruck,
dar der Herr mir einen kleinen Anstoß gab, als ich diese Zeilen schrieb
- ich glaube, dar im Leben meines Cousins sehr bald erstaunliche
Dinge geschehen werden', und die Leute sind äußerst
unbeeindruckt, besonders mein Cousin. Und das kann man ihnen
kaum verübeln, nicht wahr?"
Für kurze Zeit herrschte Stille. Ich nickte ernsthaft.
„Nun, Pfarrer Persimmon", sagte ich, „ich möchte Ihnen im
Namen aller Anwesenden für Ihre erhellende und profunde Analyse
der christlichen Lyrik des zwanzigsten Jahrhunderts danken. Darüber
hinaus möchte ich aus tiefstem Herzen meinen persönlichen Dank
hinzufügen für Ihr einfühlsames und großherziges Gespür für die
Tatsache, dar ich so sehr hoffte, unterbrochen zu werden, als ich
gerade im Begriff war, sehr zaghaft etwas darzubieten, das zu
verfassen vor allen Dingen Sie mich ermutigt haben. Bitte nehmen Sie
meinen aufrichtigen und überschwänglichen Dank für Ihre
ungewöhnliche Feinfühligkeit."
„Versuchst du etwas zu sagen, Dick?" fragte der Pfarrer seelen-
ruhig.
„Also wirklich, David!" sagte Dot, die sich nicht länger zurück-
halten konnte. „Ich glaube nicht, dar ich die mysteriösen Verwick-
lungen Ihrer Persönlichkeit jemals begreifen werde. Sie sind wie -"
Dot hielt inne und kniff die Lippen fest zusammen, als sie nach einem
passenden Vergleich suchte, „- wie ein Töpfer, der nach
stundenlanger Arbeit seine Werke aus dem Ofen nimmt und sie
ohne erkennbaren Grund sofort gegen die Wand schleudert. Sie
wussten, dar Sie Richard an einem sehr wichtigen Punkt unterbrachen
- ich bin ganz sicher, dar Sie es wussten. Es ist mir ein unerklärliches
Rätsel, wie Sie in der Lage sein können, derartig niedrigen Impulsen
nachzugeben. Sie sind unbelehrbar!"
Alle Textrechte liegen beim Brendow Verlag. Abbildung hier mit freundlicher Genehmigung.