Buchcover Tagebuch eines frommen Chaoten

Leseprobe aus "Tagebuch eines frommen Chaoten" (1990)

"The sacred diary of Adrian Plass, aged 37 3/4"

Freitag, 14. Februar

Wachte um sechs Uhr auf. Ploetzlich fiel mir siedendheiss ein, dass heute Valentinstag ist. Warf mich so leise wie moeglich in die Klamotten, schlich aus dem Haus und taumelte schlaftrunken zum Laden an der Ecke.

Stiess auf einen kleinen Auflauf verhaermt dreinblickender Ehemaenner, die in den schäbigen Restbeständen an Valentinskarten kramten. Fuer mich blieb bloss noch eine uebrig, auf der ein Kater abgebildet war, der eine Maeusin zwischen die Pfoten geklemmt hatte und (in Gestalt einer Sprechblase) behauptete: "Ich hab dich zum Fressen gern!"

Als Anne am Fruehstueckstisch die Karte oeffnete, sagte sie: "Oh Schatz, du bist so unheilbar romantisch. Du hast bestimmt Stunden zugebracht, um die zu finden."

Immerhin lachte sie. Ueberreichte mir ihrerseits eine wunderschoene Karte und gab mir einen langanhaltenden Kuss ueber dem Marmeladenglas, bis uns Gerald unterbrach, der hereinkam und sagte: "Mit deinem Schlips wirds ein klebriges Ende nehmen, Papa!".

Samstag, 15. Februar

Wachte mit einem dieser seltenen Alles-ist-in-Ordnung-Gefuehlen auf. Schlenderte nach dem Fruehstueck zum Baecker, um einen Laib Brot zu holen. Auf dem Heimweg konnte ich nicht umhin, darueber nachzudenken, dass ich zwar ab und an den einen oder anderen unbedeutenden Schnitzer mache, aber doch im grossen und ganzen alles ganz annehmbar hinkriege. Spuerte trotz der Kaelte, wie eine wohlige Waerme in mir aufstieg.

Wurde aus meinen sonnigen Gefuehlen aufgeschreckt, als ich an die Haustuer kam und durchs Wohnzimmerfenster bemerkte, dass Mr. Lamberton-Pincney da war, auf unserem unbequemsten Stuhl sass und aeusserst ungehalten aussah. Versteckte mich eine Weile in der Garage und las die Sportnachrichten in einer zehn Jahre alten Zeitung, in der Hoffnung, er wuerde wieder gehen. Die Kaelte trieb mich schliesslich och ins Haus. Endgueltig Schluss mit der Wohligkeit war, als mir Anne auf der Tuerschwelle Auge in Auge entgegentrat und zischte: "Du Vollidiot! Du Kamel mit Spatzenhirn! Warum hast du nicht nachgesehen, ob sie Freitag denselben Film spielen wie Montag? Ich begreife nicht, wie man derartig bescheuert sein kann!"

Registrierte augenblicklich, dass irgend etwas ziemlich daneben gegangen sein musste. Mr. Lamberton eroeffnete die Konversation mit düsterer Grabesstime: "Ihrer Empfehlung folgend, Mr. Plass", sagte er unheilschwanger, "nahmen ich und meine kleine Gruppe gestern an der Filmvorfuehrung in Studio Zwei teil. Da die Zeit schon ein wenig vorgerueckt war, erwarben wir die Eintrittsbilletts in Eile und betraten das Lichtspieltheater unverzueglich und ohne zuvor das handelsuebliche Werbematerial einem Augenschein zu unterziehen. Schliesslich..." Er fixierte mich mit anklagendem Stirnrunzeln. "Schliesslich hatten wir das Ehrenwort eines christlichen Bruders, dass dieses Entertainment nicht....ungeeignet sei." Räusperte mich nervoes. "Was aeh, wie aeh....hiess denn der...aeh Film, den Sie aeh...?" Mr. Lamberton-Pincney verkrampfte sich. "Der Film, Mr. Plass, trug den Titel Heisse Schenkel im feuchten Gras."

Versuchte, alles zu erklaeren und mich zu entschuldigen. Nur mit Muehe akzeptierte Mr. Lamberton-Pincney meine Apologie. Dann verliess er mein Heim, wobei er misstrauisch nach links und rechts spaehte, sobal er die Strasse erreicht hatte, als ob er Angst davor haette, er koennte von irgend etwas Obszoenem ueberrumpelt werden.

"Eins muss man dir zu deiner Ehrenrettung zugute halten, Papa", sagte Gerald, der an der Tuer gelauscht hatte, "du hast diesem Mr. Dingsbums-Wasnoch erklaert, der Film handelt von wilden Geschoepfen, die wilde Sachen machen..."

"Und...?"

"Naja, nach allem, was ich ueber Heisse Schenkel im feuchten Gras mitgekriegt habe, war das doch genau das, was er gesehen hat!"

Anne rief aus der Kueche: "Wo ist mein Brot?" Dachte einen Augenblick nach. "In der Garage!" rief ich zurueck. Anne kam herein und starrte mich an. Gerald sagte sanft: "Du wirst das Auto nie in den Brotkasten kriegen, Papa!" Anne zog ab und murmelte: "Es wird wohl kaum der Brotkasten sein, wo der mal endet..."

Alle Textrechte liegen beim Brendow Verlag. Abbildung hier mit freundlicher Genehmigung.


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